Stellen Sie sich vor, Sie lesen einen neuen Krimi und kurz bevor der Kommissar den Mörder entlarvt, klingelt es an Ihrer Haustür. Ausgerechnet jetzt, wo es doch gerade so spannend wird – aus einem guten Videospiel herausgerissen zu werden ist ähnlich ärgerlich.
Wenn es am schönsten ist soll man aufhören, lautet ein altes Sprichwort. Wie viel Wahrheit da drin steckt, sei dahin gestellt. Bei Filmen, Büchern und Videospielen stimmt es wohl nicht. Denn gerade da warten wir gespannt bis zum Ende, wohin uns die Geschichte wohl führt. Und plötzlich mittendrin aus der Handlung herausgerissen zu werden kann ganz schön frustrierend sein.
Bei Videospielen kommt neben der Neugier noch ein zweiter Faktor hinzu: In vielen Situationen muss der Spieler eine bestimmte Aufgabe erst abschließen, bevor er seine Fortschritte abspeichern kann. Muss die Spielkonsole aber mit dem Glockenschlag der Uhr ausgeschaltet werden, könnten alle Errungenschaften verloren gehen. Frust ist vorprogrammiert. Es muss also eine andere Lösung her.
Tage festlegen, an denen gespielt wird
Pädagogen empfehlen, keine festen Uhrzeiten festzulegen, sondern mit den Kindern spielfreie Tage und Spieltage zu vereinbaren. Die Spieltage ermöglichen es, den Videospielen die nötige Zeit zu geben und mit der Situation, eine Aufgabe im Spiel beenden zu müssen, flexibler umzugehen. Zugleich räumt diese Vereinbarung anderen Hobbys und Pflichten an den restlichen Tagen Platz ein.
Die Spielzeiten sollten Sie gemeinsam mit Ihren Kindern vereinbaren und nicht über deren Kopf hinweg entscheiden. Es spielt nämlich eine Rolle, welche Spiele Ihr Nachwuchs spielt: Rennspiele können zwischendurch mal eingelegt und nach einer Runde beendet werden. Bei Abenteuer- und Rollenspielen kann das Meistern eines Spielabschnitts hingegen länger dauern.
“Medienbudget” für Jugendliche
Ein Tipp von Pädagogen ist das Festlegen eines Medienbudgets für Jugendliche – also ein Stundenkonto für die Mediennutzung. Denkbar wäre beispielsweise Ihrem Kind pro Woche fünf Stunden Mediennutzung zu erlauben. Wann es diese Stunden einsetzt, bleibt Ihrem Kind überlassen. Sind die Stunden aber verbraucht, war es das für die Woche.
Wer öfter spielt, wächst mit seinen Fähigkeiten
Ohne Frage: Darauf zu achten, dass gewisse Regeln eingehalten werden, ist für Eltern ein harter Job. Die Festlegung und Einhaltung einer bestimmten Spielzeit führt immer wieder zu Diskussionen. Meistens fällt es den jungen Spielern schwer, sich von einem faszinierenden Spiel zu lösen. Immer wieder lockt die Neugier, was wohl als nächstes im Spielablauf wartet.
Genau das ist das Besondere an Videospielen: Sie fordern heraus, wollen entdeckt werden, bieten Freiheiten, aber auch Regeln und Gesetze. Je länger wir uns mit Spielen beschäftigen, umso besser werden wir darin. Ein entsprechendes Feedback kommt in Form von Belohnungen oder dem Freischalten neuer Inhalte. Es gibt also einen direkten Zusammenhang zwischen der Zeit, die in ein Spiel investiert wird, und dem Erfolg, den man als Spieler erzielt. Psychologen sprechen dabei vom “Flow”-Zustand: Er bezeichnet das Gefühl der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Tätigkeit.
Schaffensrausch durch Videospiele
Wer “im Flow” ist, sei in einem Schaffens- beziehungsweise Tätigkeitsrausch. Der Psychologe Siegbert A. Warwitz hat sich empirisch mit dem Phänomen des Flow-Erlebens in verschiedenen Altersstufen auseinandergesetzt. Dabei kam er zu dem Ergebnis: Das “Urbild des Menschen im Flow” sei das “spielende Kind, das sich im glückseligen Zustand des Bei-sich-Seins” befinde. Genauer ausgedrückt: Das in seinem Spiel voll aufgehende Kind spiele nicht nur Robinson, sondern es ist Robinson, so Warwitz.
Der “Flow”-Zustand führe zur völligen Verschmelzung von Handeln und Bewusstsein. Eine Außenwelt existiere nicht, das Zeitgefühl verändere sich. Eine Folge: Das Kind überhört das Rufen der Mutter. Wenn Spieler trotz der Ankündigung “In zehn Minuten gibt es Essen” auch nach 15 Minuten nicht am Tisch sitzen, muss das keine böse Absicht sein. Sie haben womöglich schlicht durch den Schaffensrausch das Zeitgefühl verloren.
Ist das nun etwas Gutes? Laut Pädagogen ist der Schaffensrausch der gewünschte Effekt von Erlebnispädagogik – und der Traum eines jeden Arbeitgebers. Dass man vor lauter Arbeit die Zeit vergisst, weil sie einem so liegt und so viel Spaß macht, ist der ideale Zustand. Erreichen tun ihn wohl nur wenige Menschen. Wenn es dann aber zumindest in der Freizeit gelingt – warum nicht?
Videospiele nicht als Druckmittel einsetzen
Die Anziehungskraft von Videospielen birgt natürlich auch die Gefahr, dass sich jemand zu lange mit einem Spiel beschäftigt. Gerade Kinder brauchen deshalb klare Vorgaben und Regeln. Eltern müssen Vorbild sein und für die Einhaltung der Regeln sorgen. Machen Sie Ihrem Kind die Konsequenzen klar, wenn es Abmachungen bricht.
Sie können ein gutes Verhalten Ihrer Kinder belohnen. Doch Vorsicht: Pädagogen raten davon ab, Videospiele als erzieherisches Druckmittel einzusetzen. Dadurch erhielten sie einen ungewollt hohen Stellenwert im Alltag Ihrer Kinder. Belohnen und bestrafen Sie also nicht mit mehr oder weniger Zeit fürs Spielen.